Und dann gilt als wichtige Sache hier: Meditation fällt jetzt leichter, man hat mehr Zeit für die spirituellen Praktiken, aber im besonderen Maße wichtig ist asanas und pranayama wieder in der Zeit. Denn wenn man in der Zeit jetzt nicht asanas, pranayama macht, verliert sich die Lebensenergie relativ zügig und dann ist sannyasa oder das Alter später keine schöne Sache, sondern eben eine unangenehme Sache, wo einem die Energie fehlt, wo man langsam krank wird und sich eben nicht mit der Selbstverwirklichung beschäftigen kann, sondern nur noch mit seiner physischen Gesundheit. Daher gerade vanaprastha sind asanas, pranayama besonders wichtig und in manchen Teilen von Indien gilt Hatha Yoga geradezu als Alte-Leute-Sache. Ich kann mich erinnern, irgendwann war ich mal in Indien gewesen, da hat mich jemand gefragt, was ich mache. Da habe ich gesagt: Ich bin Yogalehrer. Da hat der gesagt: Du bist ja noch zu jung. Da habe ich ganz erstaunt geguckt. Da hat der gesagt: Ja, wo ich herkomme, die Leute fangen an mit Hatha Yoga, wenn sie fünfzig sind. Das sage ich übrigens deshalb, weil relativ oft in euren Volkshochschulkursen usw. Menschen habt, die über fünfzig sind und mit Hatha Yoga beginnen, und das ist durchaus auch im Sinne der klassischen Lehre. Das heißt, es ist auch im Sinne, dass man schon von Jugend an das praktiziert. In der Jugendzeit, wenn man die Zeit hat, sogar vermehrt übt, dort kommt man dann in die fortgeschrittensten Sachen hinein, dann in grahasthya die Sache etwas reduziert, aber bitte nicht aufgibt oder falls man es vorher nicht angefangen hat, eben dort anfängt. Vanaprastha – mehr Zeit damit verbringen und dann ist man dann für sannyasa bereit. Und in sannyasa ist die wichtigste Praxis die Meditation. Jetzt hat man seine Wünsche ausgelebt, man hat ein ethisches Leben geführt, dass man kein schlechtes Gewissen zu haben braucht, man hat die Energien aufgebaut, man hat den Geist sublimiert, gelöst von allen Verhaftungen, jetzt kann man meditieren und die Selbstverwirklichung erreichen. Und dazu gehört auch ein formelles Gelübde, dass man allem entsagt. Der Swami Vishnu hat so gern ein amerikanisches Sprichwort gebraucht: Better quit, before you are fired, es ist besser zu kündigen, bevor man gekündigt wird. Das gilt aber mehr in Amerika, hier, wenn man irgendwie merkt, man will nicht mehr da sein bei der Arbeit, dann bittet man den Arbeitgeber darum, einen zu kündigen, dass man Arbeitslosengeld bekommt. In Amerika ist es so, wenn man gekündigt wird, dann sinken die Jobchancen etwas und außerdem sinkt das Anfangsgehalt. Wenn man selbst gekündigt hat, kriegt man beim neuen Job ein besseres Gehalt. Deshalb, wenn man weiß, man wird demnächst gekündigt, dann schnell vorher die Kündigung einreichen.
Und so, wir bekommen irgendwann die Kündigung vor diesem Leben, better quit, before you are fired, besser selbst die Kündigung einreichen, bevor wir dort rausgeschmissen werden aus diesem physischen Leben.
Was wir in unserer heutigen Lebenssituation daraus gewinnen können, ist so zum einen, heißt es im Kali Yoga, dass die reinen Phasen nicht mehr so sind, aber was wir herausbekommen können, es gibt verschiedene Phasen im Leben und in den verschiedenen Phasen des Lebens sind verschiedene Dinge anwendbar. Und da würde ich durchaus raten, wenn jemand eine Beziehung irgendwann mal in die Brüche gegangen ist, bevor man sich in die nächste Phase stürzt, mal bewusst eine Phase brahmacharya lebt. Einen anderen Ratschlag, den ich beispielsweise Mitarbeitern gebe, die hier in den Ashram kommen, dass sie im ersten halben Jahr bis erstem Jahr keine neue Beziehung beginnen. Das ist keine Regel hier, wenn man sich verliebt und es geschieht und jetzt hat man eine spirituelle Partnerschaft, gut, warum nicht, aber ich habe festgestellt, Menschen, die das machen, denen fällt es manchmal etwas schwerer, sich danSeminarn auf die Energie des Ashrams einzustimmen, es fällt ihnen etwas schwerer, sich für das Ganze zu öffnen, weil zwei Öffnungsprozesse gleichzeitig da sind – für den Partner und für den Ashram. Deshalb ist das so mein Ratschlag, der auch irgendwie in dem Leitfaden drin steht, aber es ist keine Mussregel. Und es gibt einige amerikanische Zentren, die haben das sogar als Regel: Wer neu kommt dorthin, darf ein oder zwei Jahre keine neue Partnerschaft dort beginnen, da verpflichtet er sich dazu. Ich habe dort mit jemandem gesprochen, und der sagte, das sei etwas Gutes. Das als eine Sache. Oder wenn es auch aus irgendwelchen Lebensumständen nicht möglich ist, Sexualität zu leben, das einfach mal bewusst als solches zu erleben, oft nach der Geburt eine Weile, dort Brahmacharya zu leben, die Energie zu spüren, die sich dabei ansammelt, Techniken, zu spüren, wie das Pranayama anders wirkt, wenn man tatsächlich sexuell enthaltsam lebt, das ist eine interessante Erfahrung. Aber das muss in Übereinstimmung mit beiden Partnern geschehen, es ist nicht geeignet, wenn ihr nach Hause kommt und sagt: Ich will jetzt ein halbes Jahr enthaltsam leben, das will ich mal ausprobieren, und der Partner ist damit nicht einverstanden. Da sollte man geschickter umgehen.
Mit sechzig, siebzig sicher nicht. Manchmal mit vierzig. Na umgekehrt, hast du jetzt eine Trauer, dass du nicht erfahren hast, eine Nonne gewesen zu sein? Das ist dir entgangen. Dir ist die Erfahrung entgangen, ein Nonnenleben zu führen, fehlt dir das? Ich will einfach sagen, uns entgehen so viele Sachen. Verstehst du, das ist jetzt die Beziehung, die wesentlich ist, für mich jetzt auch. Für mich war es auch sehr wesentlich, letztlich zehn Jahre meines Lebens keine Beziehung zu leben. Das war für mich etwas ganz Wesentliches. Das ist eine Erfahrung, die den meisten der hier Anwesenden entgangen ist. Ganz bewusst, auf alles zu verzichten. Ich habe jetzt beide Erfahrungen gemacht, ich habe das Beste aus beiden Welten…, vielleicht. Und so muss es nicht sein, dass man mit sechzig…, aber jeder Mensch oder viele Menschen haben mit sechzig etwas, wo sie sagen, das hätte ich gerne noch erlebt. Und so wird es mit denen sein, wie auch mit anderen. Aber sechzig-, siebzigjährige Swamis, die sind meistens sehr zufrieden mit ihrem Leben. Die größere Schwierigkeit ist zwischen dreißig und sechzig.
ENDE
Dies ist Teil 24 einer unbearbeiteten Niederschrift der Mitschnitte eines Vortrags mit Sukadev Bretz im Rahmen einer Yogalehrer Ausbildung im Yoga Vidya Ashram Bad Meinberg. Für genauere Erklärungen der Sanskrit Ausdrücke kannst du nachschauen im Yoga Wiki. Hier ein paar weiterführende Links: